Vom Genotyp zum Phänotyp – die Metabolomik als zentrale Technologie in den Lebenswissenschaften

Visualisierung eines metabolischen Netzwerks

Visualisierung von metabolischen Veränderungen auf Basis von ipath (Quelle: EMBL, Metabolomic Discoveries)

Firmenportrait Metabolomic Discoveries GmbH

Von Nicolas Schauer

Die technologische Entwicklung in den letzten Jahrzehnten hat in den Lebenswissenschaften vollkommen neue Forschungsmöglichkeiten eröffnet. Basis ist nicht mehr nur die Untersuchung einzelner biologischer Bausteine, sondern auch die umfassende Analyse aller Transkripte, Proteine oder Metabolite. In Kombination mit bioinformatischen Methoden erlauben diese Technologien genaue Einblicke in biologische Systeme. Dabei hat sich die Metabolomik inzwischen als eine zentrale Komponente in den Lebenswissenschaften und der forschenden Industrie etabliert.

Metabolite sind der biochemische Endpunkt der genetischen Information. Das Metabolom, die Gesamtheit aller Metabolite eines Systems, bildet auch die Grundlage der Kommunikation zwischen biochemischen Einheiten von Zellen, Geweben und der Umwelt. Die Entwicklung der Metabolomiktechnologie vor über zehn Jahren leistet erstmals die Analyse und Identifikation von hunderten bis tausenden Stoffwechselprodukten in einer biologischen Probe. Die Vielfalt an Metaboliten und deren unterschiedliche physikalisch-chemische Eigenschaften machen die Metabolomik zu einer der komplexesten Methoden in den Lebenswissenschaften. Das Metabolitspektrum reicht von hochpolaren Substanzen, wie Nukleotiden, Säuren und Zuckern über Sterole zu komplexen Lipidverbindungen. Gleichzeitig unterscheiden sich die Konzentrationen der untersuchten Stoffe teilweise um mehrere Zehnerpotenzen. Somit ergeben sich große Anforderungen an die Probenaufbereitung und Analytik.

Von der analytischen Seite haben sich zwei Technologien etabliert: die Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und die Massenspektrometrie (MS). Durch die Vielzahl der chemischen Verbindungen und die Fülle an Informationen ist die automatisierte Datenauswertung in diesen Methoden eine wichtige Voraussetzung. Hierfür sind in den letzten Jahren entsprechende informatische Werkzeuge entwickelt worden, um relevante Informationen über Metabolite aus den Rohdaten zu extrahieren. Mittels chemometrischer Auswertungen können so Muster und Unterschiede in den Proben identifiziert werden.

Die Potentiale der Metabolomik

Die Metabolomik findet heute Anwendung in allen Bereichen der Forschung. Besonderes Interesse liegt dabei auf der Untersuchung von biochemischen Mechanismen und der Diagnostik im humanen Bereich. So konnte ein systembiologischer Ansatz erfolgreich bei der Rekonstruktion und Modellierung des menschlichen Stoffwechsels angewandt werden (Recon 2, Thiele et al., 2013). Hierzu wurde der humane Metabolismus zunächst auf Basis eines genombasierten Netzwerks etabliert. In Verbindung mit Informationen über endogene Metabolite konnten genaue Stoffwechselwege bestimmt werden. Gleichzeitig erlaubte die Integration von Proteindaten aus zellulären Einheiten weitere Aufschlüsse über biochemische Mechanismen auf Zell- bzw. Gewebeebene. Insgesamt konnten über 2.600 Metabolite identifiziert und in über 7.400 Reaktionen abgebildet werden. Auf dieser Basis konnten Metabolitveränderungen von 49 Stoffwechselerkrankungen zu 77 Porzent vorhergesagt werden. Damit bietet dieser Ansatz ein großes Potenzial, um metabolische Veränderungen bei Krankheiten vorherzusagen und mögliche Wirkstoffziele zu identifizieren.

Funktionelle Untersuchungen von Zelllinien

Die Metabolomik erlaubt durch ihren umfassenden Ansatz, Krankheiten und Wirkmechanismen von biologisch aktiven Substanzen besser zu verstehen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten in der Erforschung von Krankheiten und Entwicklung von neuen Arzneimitteln. So können bereits in der präklinischen Forschung in Zellmodellen und Tierversuchen valide Krankheitsmodelle und Wirkmechanismen entwickelt werden. Zugleich bietet die Metabolomik die Möglichkeit, die Ergebnisse in die Klinik zu translatieren und damit präzisere medizinische Therapieansätze zu entwickeln.

Hier setzt Metabolomic Discoveries an. Metabolomic Discoveries hat für die umfassende Metabolomanalyse und deren Auswertung eine weltweit einzigartige Plattform aufgebaut. Die Plattform führt eine multiparallele Analyse aller Metabolite über zwei hochauflösende, massenspektrometrische Verfahren durch. Die statistische Auswertung und Visualisierung der Daten ermöglicht einen genauen Einblick in metabolische Veränderungen (siehe Abbildung, Yamada et al., 2011). Durch die integrale bioinformatische Plattform werden metabolische Unterschiede erkannt und mit Protein- oder Genexpressionsdaten verknüpft. Dies ermöglicht die Modellierung von biologischen Systemen wie Zellen und Organen, bis hin zum System Mensch.

Ein besseres Verständnis von Krankheiten und den Funktionen von molekularen Einheiten ist der erste Schritt zur Entwicklung von Medikamenten und Therapien. Daher ist die Metabolomik aus der Grundlagenforschung nicht mehr wegzudenken. So konnte in einer Untersuchung von 60 Krebszelllinien gezeigt werden, dass jede Linie ein charakteristisches metabolisches Profil aufweist und bestimmte Metabolite eine funktionelle Bedeutung in der Krebsproliferation haben (Jain et al., 2012).

Die biotechnologische Produktion von Medikamenten, Impfstoffen oder Feinchemikalien durch Mikroorganismen oder Zellkulturen ist heutzutage nicht mehr wegzudenken. Durch den Einsatz der Metabolomik können die Verwendung von Rohmate- rialien und die Prozesszeit optimiert werden. So kann das Nähr- medium durch die Identifikation von Stofflimitierungen oder überschüssigen Metaboliten optimal auf eine Zelllinie angepasst werden. Auch in der Stammentwicklung hilft die Metabolomik, relevante Stoffwechselwege und Nebenprodukte zu identifizie- ren um in Folge einen Stamm genetisch zu optimieren. Dabei ist insbesondere die Modellierung der Stoffwechselflüsse auf Basis von genombasierten Netzwerkkarten von großer Bedeutung. Hier wird eng mit der Firma Insilico Biotechnology AG zusammengearbeitet.

Vorhersage der Entwicklung von Diabetes Typ-2

In epidemiologischen Studien ist die Metabolomik ein sehr aussagekräftiges Werkzeug, um den Einfluss von Umweltfaktoren und Ernährung auf die Lebensqualität und Gesundheit zu untersuchen. So konnten Mitarbeiter von Metabolomic Discoveries im Rahmen einer Langzeitstudie durch Metabolomanalysen ein eindeutiges metabolisches Muster bei erhöhten Werten im Nüch- ternblutzuckertest mit Hilfe eines komplexen Algorithmus aus dem Bereich des maschinellen Lernens identifizieren (Hische et al., 2012). Damit ist es nun erstmals möglich, anhand der Anzahl von bestimmten Metaboliten die Entwicklung der Blutzuckerwerte in Richtung Diabetes Typ-2 vorherzusagen.

Die Entwicklung von neuen Medikamenten ist ein langwieriger und sehr teurer Prozess. Häufig scheitern Medikamente an geringer Wirksamkeit, Unverträglichkeit oder Toxizität. Die Metabolomik kann bereits in der experimentellen und präklinischen Phase eingesetzt werden um mögliche Risiken und Toxizitäten besser und genauer als andere Verfahren zu identifizieren. In klinischen Studien führte die Anwendung der Metabolomik zu einem präzieren Ergebnis. So können metabolische Marker Probandenausreißer erkennen, Toxizitätseffekte identifizieren oder Responder und nicht-Responder in einem frühen Stadium unterscheiden.

Ausblick

In den kommenden Jahren wird die Metabolomik, besonders im Bereich der angewandten Forschung und der industriellen Anwendung, weiter an Bedeutung gewinnen. Auch in der personalisierten und der Präzisions-Medizin wird die Metabolomik in Kombination mit anderen Omics-Technologien und Hochleistungscomputing zum Einsatz kommen. Metabolomic Discoveries wird dabei eine aktive Rolle spielen.

 

Steckbrief Metabolomic Discoveries GmbH

Metabolomic Discoveries GmbH ist ein weltweit führendes Auftragsforschungsunternehmen im biotechnologisch-pharmazeutischen Bereich. Die Firma wurde 2009 in Potsdam gegründet. Grundlage ist die hochauflösende Metabolomicstechnologie in Kombination mit der Analyse von großen Datenmengen. Metabolomic Discoveries entwickelt zudem diagnostische Marker für Krankheiten und Therapiewirksamkeit.

 

Referenzen:
Thiele, Ines et al. (2013). A community-driven global reconstruc- tion of human metabolism. Nature biotechnology 31 (5), 419-425. Jain, Mohit et al. (2012). Metabolite profiling identifies a key role for glycine in rapid cancer cell proliferation. Science 336 (6084), 1040-1044.
Hische, Manuela et al. (2012). A distinct metabolic signature predicts development of fasting plasma glucose. J Clin Bioinforma 12 (2), 3. Yamada, Takuji et al. (2011). iPath2. 0: interactive pathway ex- plorer. Nucleic acids research 39, W412-W415.

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Nicolas Schauer
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