DER PHYSIKER
„In der Systembiologie wird man zum Entdecker“
systembiologie.de: Gibt es für Sie einen idealen Weg in die Systembiologie? Und wie sieht der aus?
Prof. Dr. Julio Vera-González: Aus meiner Sicht wäre es gut, wenn junge Systembiologen bereits im Master-Programm oder im ersten Jahr der Promotion Grundlagen im Modellieren bzw. in der Molekularbiologie sammeln könnten. Ich musste leider öfters die Erfahrung machen, dass junge Experimentatoren eine sehr geringe mathematische Vorbildung haben. Bei den Theoretikern sitzen wiederum viele, die zu wenig über Molekular-biologie wissen. Theoretiker, die im besten Fall sogar verstehen, wie die Experimente gemacht werden, können jedoch deutlich weiter kommen mit ihren Modellen. In Deutschland gibt es mittlerweile einige hervorragende Masterstudiengänge zur Systembiologie. Ich denke, die neue Generation der Systembiologen kann dadurch viele Schwierigkeiten vermeiden, die wir in unserer Anfangszeit hatten.
Was fasziniert Sie an der Systembiologie?
In den meisten Wissenschaftsgebieten wurde bereits sehr viel geforscht. Die Grundlagen sind somit bekannt und die Methoden etabliert. Die Wahrscheinlichkeit, etwas zum allgemeinen Fortschritt beizusteuern, ist sehr gering. In der Systembiologie hingegen kann man noch so viel Neues erforschen – man wird zum Entdecker!
Spielte die BMBF-Förderung eine wichtige Rolle für Ihre Karriere?
Die FORSYS-Förderung war sehr wichtig für mich. Sie hat es mir ermöglicht, in die systembiologische Krebsforschung einzusteigen und Partner zu finden. Mit einigen Nachwuchswissenschaftlern aus dem Programm sind mittlerweile dauerhafte Kooperationen entstanden. Ich fand es zudem sehr gut, dass es die Möglichkeit einer langfristigen Förderung mit einer Laufzeit von fünf Jahren gab. Wenn man eine neue Gruppe aufbauen und einen echten Fortschritt erzielen möchte, braucht man Zeit. Drei Jahre hätten hierfür definitiv nicht ausgereicht.
Die Systembiologie ist inzwischen aus ihren Kinderschuhen herausgewachsen. Ist die gezielte Förderung, auch von Nachwuchsgruppen, noch notwendig?
Ich denke, die Förderung von Nachwuchsgruppen sollte kontinuierlich fortgesetzt werden. Als junger Wissenschaftler ist es schwierig, in die klassische Projektförderung hereinzukommen, weil einem hierfür oftmals die notwenigen Referenzen fehlen. Die Nachwuchsförderung zieht zudem immer neue und junge Köpfe an, mit vielen frischen Ideen. Das hält das Gebiet lebendig.
Die Interviews führten Melanie Bergs und Gesa Terstiege